80 Stunden sind genug…

Im März machte die Meldung die Runde, das eine Umfrage unter jungen Investment Bankern bei Goldman Sachs ergeben hätte, dass sich die Mitarbeiter:innen eine 80 Stunden wünschen würden – eine Begrenzung auf 80 Stunden!

Das muss man zweimal lesen: 80 Stunden. Das sind verteilt auf 5 Tage 16 Stunden am Tag, also zum Beispiel von 8 Uhr bis 24 Uhr. Andere Aufteilungen kann man selber durchrechnen. Die Forderungen, die ja nur ein Wunsch ist, meint die Begrenzung auf 80h, das heisst in der Regel ist es mehr. Ja, es geht um abhängig Beschäftigte, um Angestellte….

Das Kerngeschäft des Investment Banking ist das Investieren, der Handel mit Wertpapieren, die Verwaltung von Vermögen und die Vorbereitung und Unterstützungen bei Börsengängen und Kapitalmarktaktivitäten von Unternehmen. Investment Banking ist die anachronistische Sehnsucht nach mehr, größer, schneller, mehr, mehr, mehr….

Der Kapitalmarkt ist heute die umfassende Autorität, die ihre Macht vor allem dadurch ausübt, dass sie Abhängigkeiten schafft, erfindet und vergrößert. Die Autorität erzählt die Geschichte des Wohlstands. Es ist natürlich nicht der Wohlstand aller, das ist klar, aber die Sehnsucht dazu gehören zu können, ist das wichtigste Element dieser Erzählung. Die Erzählung macht einige reich, viele handlungsunfähig und noch mehr geraten in existenzielle Bedrohlichkeiten – eigentlich wir alle.

Nahezu alle Zeichen stehen auf Verzicht. In nahezu allen Bereichen ist die Hauptherausforderung, sich zurückzunehmen, nicht in der ganzen Welt, sondern vor allem in der sogenannten westlichen Welt, also der mit dem Kapitalmarkt. Das nun bei den jungen Investment Bankern  eine 80 h Woche gewünscht wird, ist nicht Teil dieses Berichts oder dieser notwendigen Bescheidenheit, sondern Selbstschutz.

´Viele Zeitungen thematisieren die Umfrage und irgendwie mischt sich dann auch immer Mitleid in die Berichte.

FAZ, 08.04.2021: „Es sah aus wie eine typische Powerpoint-Präsentation, die Investmentbanker von Goldman Sachs für ihre Kunden zusammenstellen. Aber das elfseitige Dokument war nur für den Hausgebrauch gedacht, und es enthielt die Ergebnisse einer Umfrage unter 13 Junganalysten zu den Arbeitsbedingungen in der New Yorker Bank. Das Urteil war vernichtend.“

DER SPIEGEL, 19.03.2021 Eine interne Präsentation der Ergebnisse wurde anonym im Internet veröffentlicht und vom Unternehmen nicht dementiert.
Laut einer Aussage kann die Arbeitsbelastung bei bis zu 120 Stunden in der Woche liegen. »Die Rechnung ist einfach, damit bleiben vier Stunden pro Tag zum Essen, Schlafen, Duschen, Zeit fürs Bad und Übergänge«, sagt der oder die Betroffene dazu. »Das ist jenseits von ›hart arbeitend‹, das ist unmenschlich / Missbrauch.« In einer anderen Aussagen heißt es: »Mein Körper schmerzt ständig und mental geht es mir wirklich düster.«

STERN, 22.03.2021: „Da wundert es nicht, dass die horrende Arbeitsbelastung massive Folgen auf das Leben der Analysten zeigte. Die physische und mentale Gesundheit sowie das Sozialleben hätten stark gelitten, so die Umfrage. Obwohl die Banker ihre körperliche Gesundheit mit einem Durchschnittswert von 8,8 von 10 Punkten vor der Aufnahme des Jobs als sehr gut eingeschätzt hatten, war dieser Wert nach dem Einstieg bei Goldman Sachs enorm eingebrochen – auf nur noch 2,8 Punkte. Noch deutlicher ist der Unterschied bei der körperlichen Gesundheit: Die wurde durch den Schlafmangel von durchschnittlich 9 auf nur noch 2,3 Punkte gedrückt. Ähnlich sieht es beim Sozialleben aus, das bei jedem einzelnen der Befragten gelitten hatte.“

 

Es ist kompliziert und die Ebenen sind vielfältig: Das Individuum. Die Struktur. Mikro- und Makropolitik. Ich. Du. Wir. Es ist wirklich kompliziert, aber man möchte doch ganz einfach schreien:

Hört endlich auf zu arbeiten!

 

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